Anwendung der Modelle




Das Verstehen von Projekt- und Organisationsgeschichten mit dem triadischen Historiographiemodell

Das triadische Modell der Geschichtsschreibung (Abb.1) läßt sich sowohl auf die Geschichte von größeren Gesellschaften und Kulturgemeinschaften als auch auf die Geschichte von Personen, Organisationen und Gruppen anwenden.
Triadische Historiographie

Abb.1: Triadische Historiographie

Einen Eindruck vom Vorgehen bei diesen Objekten mag der Einsatz des Modells zur Evaluation von Projekten in Organisationen geben. Evaluation von Projekten ist notwendig, um ihren Erfolg oder Mißerfolg festzustellen, um aus dem Projekt für weitere Projekte zu lernen und um das Projekt abzuschließen.

Chronologie

Schon die Feststellung, wann ein Projekt beginnt und welche Ereignisse Teil der Projektgeschichte sind, fällt nicht leicht. Projekte beginnen und enden für die verschiedenen Beteiligten zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Jeder Beteiligte hat seine Chronologie und es entstehen Differenzen z.B. darüber, wer wann über welches Ereignis hätte informiert werden müssen. Für wen ist was ein relevantes Ereignis? Endet das Projekt mit dem Vertragsende, der (späteren) Abgabe des Rechenschaftsberichts, der Diskussion, Akzeptanz oder gar Umsetzung des Berichts?

Veränderungsgeschichte

Die Beantwortung der Frage, was ein wesentliches Ereignis war, hängt meist mit der Feststellung zusammen, ob ein Ereignis eine Veränderung darstellt oder eben nicht.. Um auf dieser gedachten Zeitleiste eine Veränderung festzustellen, braucht es einen Maßstab, der Zustand a und Zustand b vergleichbar werden läßt.. Welche Veränderung strebt das Projekt an, an welchen beobachtbaren Kriterien festgemacht werden? Leitende Fragen für die Veränderungsgeschichtsschreibung sind:
– Wer bewertet was als Veränderung?
– Wie viele relevante Veränderungen gibt es?

  • Woran messen die Teilnehmer Veränderungen?
    – Wer akzeptiert diese Kriterien?
    – Wie viele andere Kriterien zur Bewertung von Veränderungen durch ein Projekt in einem Unternehmen gibt es?

Entwicklungsgeschichte

Der dritte Schritt in der Evaluation ist die Bewertung der Veränderung.
Für die Beschreibung von Entwicklungen brauchen wir einen dritten Parameter, der die Veränderung bewertet
– Wer bewertet welche Veränderung wie: Als Fort-oder Rückschritt, Entwicklung oder Stagnation, positiv oder negativ?
– Welches Wertmuster muß es zugrundelegen, damit eine solche positive/negative Bewertung entstehen kann?
– Wie ähnlich oder unterschiedlich sind die Werte, die Beteiligten haben?
Eine besondere Attraktivität des triadischen Ansatzes liegt gerade darin, solche Wertmaßstäbe - nicht wertend - zu erheben. Es gilt die Maxime, daß eine Vielfalt von Bewertungskriterien unvermeidlich und deshalb zu respektieren ist.

Historiographie der Projekte

Die Historiographie ist erst das emergente Produkt aus allen drei Prozessen, also von chronologischem Sammeln und Ordnen von Ereignissen, der Analyse von Veränderungen und des Bewertens von Veränderungen und Ereignissen als Entwicklung . Aus dieser Zusammenschau lassen sich Schlußfolgerungen sowohl in Hinblick auf mögliche Krisen in den Organisationen als auch in Hinblick auf ein förderliches Beraterverhalten ziehen.

Widerstand der Betroffenen ist beispielsweise in Projekten zu erwarten, wenn
– Beteiligten, die zu späteren Zeitpunkten in das Projekt einsteigen, nicht die Möglichkeit gegeben wird, die Geschichte zu verstehen;
– es verschiedene Maßstäbe gibt, die nicht bekannt sind oder nicht akzeptiert werden;
– die Werte, die hinter den Maßstäben stehen, nicht kommuniziert und respektiert werden.
Um hier entgegenzuwirken sollten Führungskräfte und Beraterinnen sich zu Beginn mit den Klienten bzw. den Mitarbeitern über die Chronologie, also die Zeitvorstellungen über den Ablauf verständigen. Dies ist selbstverständlich und geschieht in Form von Zeitleisten mit Meilensteinen allenthalben. Schon weniger üblich ist es, die Veränderung und vor allem den Maßstab zu benennen, an dem man sie messen will. Nicht nur in speziellen Kampagnen, in denen es um die Corporate Identity geht sondern auch in allen anderen Projekten sollte man sich über die Werte, die den Maßstab legitimieren, verständigen. Dazu muß es im laufenden Prozeß neben dem zielbezogenen Projektmanagement ‚Räume‘ geben (Dialog), in denen man sich über Maßstäbe und Werte verständigen kann. Unterbleiben solche Verständigungen, wird nicht klar, wo die Ursachen für Reibungen liegen. Es ist letztlich nicht möglich über die Maßstäbe und Werte zwischen allen Betroffenen eine Einigung zu erzielen, aber es ist schon viel gewonnen, wenn die verschiedenen Standpunkte klar liegen und damit dann auch erst wechselseitig in Rechnung gestellt werden können. Natürlich gehört in diesen Klärungsprozeß auch die Erläuterung des triadischen Historiographiekonzepts.

In der Abbildung wird die Beschreibung - oder im Kontext von Beratungen: die Anamnese und Diagnose - von Projektgeschichten tabellarisch zusammengefaßt.

Abb.2: Anamnese und Diagnose der Organisationsgeschichte nach dem triadischen Historiographiemodell

Organisationsdiagnose

anwendung_ntd, id1385, letzte Änderung: 2022-01-25 10:28:29

© 2023 Prof. Dr. phil. habil. Michael Giesecke